Kunst ist vor allem Aussage​

Es ist ein wundersames und schönes Abenteuer, sich durch Gabi Troesters Bilderwelten zu bewegen. Ein Abenteuer des Geistes und des Herzens. Alles, was sich hier an Malerei vor uns entfaltet, ist aus der Vielfalt des Realen genommen und wurde in eine vereinfachte und eindringliche Bildwelt übersetzt. Aber alles das bezieht sich auf einen vitalen geistigen Mittelpunkt. So wandert der Betrachter wie zwischen Überraschung und wieder erkennen durch Neuheiten und wiedergekehrte Erinnerungen. Troesters Bilder können gleichermaßen zur Besinnung und zur Meditation anregend sein, wie zum Genuss ihrer Farben und Kompositionen.

Die Welt der Gedanken, Gefühle und Träume entfaltet sich bei der Künstlerin selbstverständlich aus der Welt der wirklichen Erscheinungen. Aus elementaren Formen und Farben entwickelt sie eine wesentliche optische Aussage, in welche der Betrachter von Bild zu Bild langsam eindringt. Aus dem Gestern und Heute hat sie ihr eigenes Bild vom „heutigen Menschen“ geschaffen. Aus den Erinnerungen und aus dem Erlebten bildet sich die Sensibilität eines starken Gegenwartsbewusstseins. Mit einer herben Intimität erfasst sie das Wesentliche unserer Innen- und Außenwelt und dabei gehen Poetisches und Optisches in einander über.

Die Künstlerin entwickelt in ihrem Werk auch eine mystische Seite, die nicht nur nach Ausdruck verlangt, sondern überhaupt in der heutigen Zeit eine neue Richtung einschlägt: Die Suche nach Sinn und Sinnlichkeit, ohne sich an die Wissenschaften und die Gesetze der Logik und Vernunft halten zu müssen. So ist in ihren Bildern, durch eine von allem wirklichen Zusammenhang losgelöste Formensprache, ein Raumschweben in spirituellen Regionen dargestellt. Lediglich mit Farben und Flächenspannungen wird diese großzügige Bildwirkung erreicht. Das tatsächliche Format dieser Bilder erscheint durch die innere Haltung und universale Gestaltung weit überflügelt.

Alles wird leicht, unendlich leicht. Dreiecke, Rechtecke, Halbkreise schweben im Bilde, vor und zurück, deuten auf Boote, Dächer, und sind gleichzeitig völlig freie Bild-Klänge. Architektonisches oder Pflanzliches zieht wie aus einer fernen Erinnerung im Bilde vorbei. Alles Gegenständliche lebt nur noch als motivischer Ansatz im Bilde, bloß innerhalb einer völlig neuen Konstellation angedeutet. Das räumliche Vor und Zurück der Farbe ist losgelöst vom Realen und wohnt nur als Stimmungsgehalt im Bild.

Gabi Troester benutzt in ihrem Werk die Ästhetik der Farbe, die Komposition des Bildes, um den Betrachter in den Bann ihre Bilder zu ziehen und ihn zur Auseinandersetzung mit sich selbst zu bewegen.

Mirjana Peitler-Selakov
Kunsthistorikerin

Malen bedeutet für Gabi Troester gestaltendes Ordnen und erzählendes Mitteilen. Malen ist für sie in Bildern denken – Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt.
Mit Farbe und Form werden bei Gabi Troester äußere und innere Visionen wiedergegeben. Durch die intensive Beschäftigung mit der Bildgestaltung und Bildaussage werden subjektive Erlebnisse und Eindrücke für den Betrachter sichtbar. Die Begegnung mit Gabi Troesters Bildern verlangt auch vom Betrachter, dass er sich bewusst mit den Werken auseinandersetzt. Sensibilität, Einfühlungsvermögen sind gefordert.

Gabi Troesters Bilder verkörpern in ihrer Abstraktion Hoffnung, Freude und Aufforderung zum Nachdenken. Sie sind auch gleichsam Dokumentation einer inneren Balance, Hoffnungsträger – sie sind im Gleichgewicht bezogen auf Form und Farbe.

In feinen Zeichen und Gebilden transportiert Gabi Troester ihre Verinnerlichung und schenkt uns Botschaften von positiver Lebenshaltung: LEBENSFREUDE!

Gabi Troester verfolgt ein wohl geplantes, ikonographisches Konzept, das sie in moderne Motivverarbeitung umsetzt. Der ikonographische Hintergrund veranlasst Rezipienten zu einem intensiven Studium der Werke. Auch nach mehrmaligem Betrachten und Verinnerlichen ihrer Werke sind noch immer weitere Tiefen der Botschaft der Künstlerin zu erkunden.

Gabi Troesters Bilder verstehen sich als Gleichnisse der Harmonie, die die Künstlerin auf alle Bereiche des Lebens ausgedehnt sehen möchte.

Fast wie bei Paul Klee, der die Perspektive zum Gähnen langweilig fand, sind auch Gabi Troesters Bilder flächenhaft – und dennoch haben sie eine geheimnisvolle Tiefe.  Eine geometrische Formensprache reduzierter, abstrahierender Formen und Muster, aber auch einer gewissen Gegen-ständlichkeit ist Teil ihres künstlerischen Repertoires.

Ägyptische Botschaft – Ausstellung 04. April 2014

Salam alaikum – valaikum salam

Danke für die Möglichkeit und das außerordentliche Vergnügen ihnen die Künstlerin Gabi Troester vorzustellen. Die Dame neben mir hat eine große Ähnlichkeit mit der Pharaonin Kleopatra. Kleopatra würde genauso ausschauen wie Gabi Troester, wenn sie nicht schon vorher die Schlange an sich herangelassen hätte. Sie war blond, weil das Geschlecht der Ptolemaeer aus Makedonien (Nordgriechenland) stammte.

Diese blonde Kleopatra (Gabi Troester) passt sehr gut zur ägyptischen Kultur mit ihren künstlerischen Werken. Ich bin dem Veranstalter besonders dankbar, wegen seiner Genauigkeit in der Einladung; es erspart mir eine eigene Einkleidung meiner Redeinhalte. Die altägyptische Kultur war wirklich die Erfinderin der Geometrie. Durch die ständige Vermessung der Felder nach der Nilüberschwemmung entdeckten die Ägypter den geraden Winkel und die Vierecke.

Diese Felder finden sich in den Malereien von Gabi Troester wieder, sie sind Farbfelder ohne Perspektive; obwohl Gabi Troester ihren Bildern eine starke Mittelzentrierung verleiht und vielleicht doch so etwas wie eine Lichtperspektive.

Die Dreiecke schauen sie sich bei den Pyramiden ab, der sicherlich tollsten architektonischen Erfindung der alten Ägypter. Unter Ech n Aton gewinnen Kreisdarstellungen an Bedeutung, angeheizt durch seine Religionsrevolution und die Bekehrung des Volkes zum Sonnenmonotheismus. Aus dieser Zeit gibt es besonders viele Köpfe, die auffallend rund gestaltet sind. Diese Sonnenmetapher zitiert Gabi Troester in ihren Leinwandwelten.

Titel für ihre Bilder findet sie im Nachhinein, sie sind poetisch unscharf aber dafür umso genauer und klarer. Zum Beispiel: Das Tempelbild wurde fertig gestellt, als sie größtes Leid erfuhr. Daher auch der Titel „Was darf ich hoffen?“. Im Zusammenspiel mit dem Bild ergibt sich eine völlig neue Aussage, es zeigt sich ein Zeitpfeil, der senkrecht in die Zukunft schießt.

Ich bezeichne Gabi Troester als die Hohepriesterin der kleinen Dinge. Sie freut sich über die kleinen Fortschritte in ihrem aufwendigen Malprozess. Dies lernen wir von Gabi Troester: Die kleinen Entscheidungen ergeben ein großes Ganzes. So ist es in ihren Bildern und so ist es auch im Leben. Die Philosophie besteht darin, dass die großen Taten der Menschheit durch keine großen Menschen entstanden sind, sondern durch eine Vielzahl von Menschen, mit einer Vielzahl von Ideen. Wer hat die Pyramiden erbaut? Der Pharao? Oder doch eher die vielen Fellachen? „Und ein Koch war auch dabei.“ (Brecht)

Gabi Troester fügt im Kleinen Feld an Feld, Strich an Strich; es fügt sich, was zusammen gehört – ein Gefüge! Auf Altgriechisch: Harmonie.

Lichtbrechungen, wie der Einladungstext bereits erwähnt, durchfluten die geometrischen Formen und erwecken sie zum farblichen Leben. Es gibt fast 17 Millionen Farben; diese findet man natürlich nur in einem Computerprogramm. Gabi Troester bedient sich keiner Technologie, sie träumt die Farben; nein besser: Die Farben träumen sie.

Gabi Troester ist eine Künstlerin, die sich der Romantik zugehörig fühlt. Die Romantik war die abenteuerlichste Zeit überhaupt…

Shukran! Mein Dank geht an euch alle!

sehen kommt von seele
oder: das sehen kommt aus der seele
von der spurensuche zur spurensicherung.

fragmentarische mutmaßungen
meiner persönlichen wahrnehmung der bilder von gabi troester,

erste mutmaßung:
in der unübersichtlichkeit unserer tage, der kaum unterbrochenen bilder- und geräuscheflut, ist es mehr als ein heimlicher auftrag an die kunst, genauer an die künstlerinnen und künstler, die bildermenschen, die augenwesen, dem eigenen, dem rätselhaften und dem auf das dahinter verweisende geduldig und unablässig verfolgend auf die spur zu kommen. es mit schöpferischem gestaltungswillen in beziehung zu setzen. ich bin überzeugt, es bedarf manchmal recht hartnäckiger konzentration und unermüdlicher variation, die lärmende vielfalt der vielen alltagswirklichkeiten und erfahrungen abzustreifen und neue bildgewordene lösungen aus licht und farbe und form – so heißt auch der titel ihrer ausstellung – zu schaffen, sichtbar zu machen. poetisch formuliert: lautlos bleibt das spiel der augen, maßlos dem sehen ausgeliefert

zweite mutmaßung:
im sog der reduktion wird das wesentliche sichtbar, gewinnt es seine je eigene form, wird das besondere im erkennbaren zum vorschein gebracht. vorschein wie vorausscheinen. denn zu erlernen scheint für jeden von uns wieder das sehen mit der seele, der herz-augen-schein. ich entdecke ferne ort- und landschaften und zerronnene himmelsräume, wellig flackernde wasserlinien auf dem hintergrund fast hypnotisch farbloser flächen, ich sehe zart hineinreklamierte luftige wolkenschichten in den samtigen ackerfurchen der scheinbar unberührten leinwand, ich sehe die spuren einer ungeschuldeten ahnung von welt jenseits messbarer koordinaten, eine melancholische gestimmtheit. im hörblick, im augenblick, im rückblick auf das entrückte. beachten sie, wie sich die städte, die dörfer, die häuser davonstehlen, hineinducken ins diffuse. als wollten sie sich verschweigen. aus dem blickfeld des betrachters rücken. der mensch bleibt unsichtbar. so als hätte er längst resigniert. nur die artefakte des äußeren, die ruinen der wohnhaut, die häuser und mauern sind zu bestaunen.

dritte mutmaßung:
die wegmarken am horizont definieren eine neue herausforderung. erkennbar ist: wo früher und anfangs in den früheren bildern noch das unbeschwerte kompakte gediegene erdschwere farbensatte vorherrschte, dort werden jetzt die farbwände aufgebrochen, feine linien verstören nachhaltigst die kataster und baupläne der landschaft. inmitten flackernder ausgedünnter farbstufen belebt sich aber das bild. frei im bildraum schwebende klangspiele tauchen uns ein ins vorsichtig gefundene, in der stille der konzentration, der verdichtung blüht uns eine erinnerung. verwaschene regentage, ein wuchtiges mohnrot, perlendes wassertropfenblau, zwei klobige schneckenhäuser im gesprenkelten wiesenblaugrün. kontrapunktisch wächst immer wieder zartheit aus den abgelösten farbräumen, vereinzelung, ein behutsames fürsichsein, miteinander in beziehung treten. „being“ heißt eines der bilder: wie werden. wachsen, heranreifen, sich entwickeln, farbsplitter, sparsame einsprengsel und sofort wieder auflösung. spannungsbögen entstehen, unvermittelt taucht ein gegensatzpaar auf, samenfäden, wie tanzende wollfäden im wind. und brücken, übergänge, angedeutet, ein wenig verschwommen, konturlos, wie lockere skizzen der vergänglichkeit.

vierte mutmaßung:
im schutz des lichtes: wenn sich die seele umsieht, auf blickfang und auf spurensuche geht, mit dem herzkompass und dem augenstern als werkzeug, scheu ausschau hält nach dem schwerelosen und unvergänglichen, den zeichen, die man an keiner wand mehr sieht, nach der neonschrift der hoffnung, dann entstehen solche bilder. gabi tröster ist eine zierliche frau. ihre bilder sind ebenso leichtfüßig und helläugig geworden und fast schon entschweben sie leise. die spurensuche geht weiter, dessen bin ich gewiss, wer sich wie sie infiziert hat mit dem virus der weltaufmerksamkeit, der lässt nicht mehr los und sammelt beharrlich die wunder des augen-blicks. die spurensicherung jedoch hat sich deutlich verändert. neues tritt an die stelle des alten einsammelns und registrierens. in wachsamer milde vermisst sie seit neuem die erde und ihre wunder.

gabi troester, 1962 in leoben geboren, lebt und arbeitet derzeit in gleisdorf. sie sieht sich als autodidaktin und versteht darunter, dass Kunst nicht gelernt, sondern gelebt sein will.

© Helmut Loder, Bad Fischau 2002

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